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Die Neurobiologie der Meditation: Ist Meditation eine Placebotechnik?
Unter dem
Arbeitstitel „Die Neurobiologie der Meditation: Ist Meditation eine
Placebotechnik?“ wird zur Zeit am Universitätsklinikum Freiburg der Frage
nachgegangen, über welche neurobiologische Mechanismen Meditation und
Schmerzempfinden miteinander verbunden sind. Aufhänger der Studie sind
zahlreiche neuere Arbeiten, die zeigen, dass Achtsamkeitsmeditation akute
Schmerzen lindern können. In diesen Studien wird meist die Schmerztoleranz auf
einen experimentellen Schmerz vor und nach dem Erlernen einfacher meditationsbasierter
Aufmerksamkeitsregulationstechniken überprüft. Dabei zeigt sich, dass die
Schmerztoleranz im Vergleich zu einer Kontrollgruppe manchmal sogar um 40%
zunimmt.
Wie sind diese Effekte zu erklären? Dieser Fragestellung geht ein
interdisziplinäres Team jetzt nach. Es wird geleitet von dem Mediziner Prof.
Dr. Tobias Esch aus dem Bereich Integrative Gesundheitsförderung, der Hochschule Coburg und von Juniorprofessor
Stefan Schmidt, der gleichzeitig in der Komplementärmedizin am Uniklinikum
Freiburg und am Institut für Transkulturelle Gesundheitswissenschaften in
Frankfurt (Oder) forscht. Unterstützt wird die Gruppe von PD Volker Auwärter
vom Institut für Rechtsmedizin der Uniklinik Freiburg, von PD Dr. Roman Huber,
Unizentrum Naturheilkunde der Uniklinik Freiburg, von Prof. Georgio Stefano,
State University of New York und von John Ives, Samueli Institute in Alexandria,
Virginia. Ermöglicht wurde diese Studie durch eine gemeinsame Förderung der
Oberberg Stiftung und des Samueli Institutes aus den USA.
Da ein ähnlicher
schmerzlindernder Effekt aus der Placeboforschung bekannt ist, bedient sich das
Forscherteam in Freiburg einer dort ebenfalls verwendeten Forschungsmethode. So
kann nämlich ein erfolgreicher schmerzlindernder Placeboeffekt schlagartig zum
Verschwinden gebracht werden, wenn man den Versuchspersonen eine Dosis der
Substanz Naloxon verabreicht. Naloxon blockiert die körpereigenen Rezeptoren
für Endorphine und endogene Opiate. Da der Placeboeffekt verschwand, wurde er folglich
über diese Rezeptoren gesteuert. Durch diesen indirekten Beweis konnte in den
1990er Jahren gezeigt werden, dass Placeboeffekte nicht nur subjektive Bewertungen
sind, sondern ein auf einem handfesten neurobiologischen Prozess basieren.
Um nun zu
untersuchen, ob es sich bei der Schmerzlinderung durch Meditation ähnlich verhält,
wurde in Freiburg erstmals eine Studie realisiert, bei der Meditierenden
doppelblind Naloxon verabreicht wurde.
Untersucht wurden
32 gesunde Probanden und Probandinnen, die keinerlei Vorerfahrung mit
Meditation hatten. Zunächst mussten sich alle einem Test auf Schmerztoleranz
unterziehen. Bei diesem sogenannten Tourniquet Test wird die Blutzufuhr am
Oberarm mittels einer stark aufgepumpten Blutdruckmanschette unterbrochen. Es
entwickelt sich langsam ein unangenehmes dumpfes Schmerzgefühl im Arm. Die
Versuchspersonen werden gebeten, dies solange auszuhalten, wie nur möglich. Im
Schnitt ist das ungefähr eine knappe Viertelstunde. Anschließend wurden die
Probanden per Zufall auf zwei Gruppen verteilt. Die eine Gruppe erhielt 5 Tage
in Folge einGruppentraining in Achtsamkeit und Achtsamkeitsmeditation und
wurde überdies aufgefordert selbstständig am Abend zu üben. Die Kontrollgruppe
erhielt keine Intervention. Am 6. Tag kamen alle erneut zum Schmerztest ins
Uniklinikum. Nun wurde zunächst gemessen, ob sich durch die bei der Achtsamkeitsmeditation
gelernte Aufmerksamkeitsregulation eine erhöhte Schmerztoleranz ergab.
Gleichzeitig wurde auch die Leistung des Aufmerksamkeitssystems in drei
Dimensionen mit dem Attention Network Test, einem computerbasierten Test vor
und nach der Intervention ausgewertet.
Spannend wurde es
jedoch an den beiden folgenden Tagen. Jetzt wurde den Probanden und
Probandinnen von zwei professionellen Intensivpflegern aus der Anästhesie ein
intravenöser Zugang gelegt und an jedem der beiden Tagen eine Infusion
verabreicht. Dies war doppelblind entweder eine einfache Kochsalzlösung oder
Naloxon. Anschließend wurde jeweils der Schmerztest wiederholt, um zu überprüfen,
inwieweit Naloxon dazu führte, die neu erworbene Schmerztoleranz wieder
rückgängig zu machen.
Zusätzlich zu
diesen verhaltensbasierten Maßen (Schmerztoleranz) wurde jedoch an allen Tagen
vor und nach dem Schmerztest jeweils eine Blutprobe entnommen. Insgesamt waren
14 Personen an den Versuchstagen an der Durchführung der Studie beteiligt. Die entnommenen Blutproben werden zur Zeit in
der Rechtsmedizin mittels einer hochsensiblen Analysetechnik auf das Vorhandensein
von endogenen Morphium untersucht. Dieser neuartige opiatbasierte Mechanismus
der körpereigenen Schmerzregulation wurde erst vor wenigen Jahren von der
Gruppe um Giorgio Stefano in New York entdeckt und wird hier erstmals in Europa
ausgewertet. Mit den ersten Ergebnissen dieser innovativen Studie ist im Herbst
zu rechnen.
Stefan Schmidt